Europäische Steinbruch-Diplomatie

Kretaclash 13

Persönlicher Albtraum

In einem Traumsteinbruch, der weitestgehend ausgeplündert wurde und kaum noch fruchtbares Ackerland trägt, wird Axt an einen alten knorrigen Olivenbaum angelegt. Im Fernsehen kommentiert kurzerhand ein Politredakteur dazu, das Übel des Terrors eines kleinen, europäischen Landes müsste mit der Wurzel beseitigt werden. Damit trifft er die Meinung nicht nur der Mehrheit der Fernsehzuschauer, sondern auch der Fernsehjournalisten.

Die letzte Wurzelader soll also gekappt und der Baum, der jahrhundertelang Früchte getragen hat, soll für immer gefällt werden. Der Kommentator nimmt billigend in Kauf, dass er das Recht, die Freiheit und die Würde eines jahrtausendealten Volkes dadurch mit fällt.

Griechischer realer Albtraum

Als ich aus dem Albtraum aufwache, bin ich entsetzt über diesen schamlosen Kommentator. Mit dem Olivenbaum kann er nur das griechische Volk, eine alte hohe Agrarkultur, die mittlerweile auch vom Tourismus lebt, meinen. Die demokratisch, gewählte linke griechische Regierung, die durch ein demokratisches Referendum zu 61% in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber den einseitigen Sparvorgaben der Gläubiger und der europäischen Institutionen bestätigt wurde, wird kurzerhand vom Kommentator für inkompetent erklärt.

Die Verhandlungen zwischen Griechenland und der EU waren eine Farce. Denn neoliberale und rechts konservative Vorstellungen wurden mit der Macht eines Steinbrechers durchgesetzt. Dementsprechend kapitulierte die griechische Regierung unter dem Eindruck eines zusammenbrechenden Bankensystems, den die EZB durch Kürzung des Notkreditvolumens für griechische Banken und die verunsicherte Bevölkerung durch ungezügelte Geldabhebungen forcierten.

Alle Sparvorgaben der Gläubiger, die die Griechen im Referendum vorher abgelehnt haben, wurden in der Hauptsache durchgesetzt. Unter dem Strich treffen die Sparvorgaben vorerst die Armen, Rentner und Arbeitslosen. Selbst das letzte Staatsvermögen (griechisches Tafelsilber) musste zur Deckung eines weiteren Kredits der Gläubiger für Zinsen, Tilgung und Investitionen als Pfand hergegeben werden. Dafür wurde der griechischen Regierung in den Verhandlungen der nächsten Jahre eine Umschuldung oder Streckung der Kreditrückzahlungen bei Wohlverhalten als Trostpflaster angeboten.

Der einzige große Fehler des griechischen Premierministers war es gewesen, die Vertrauensfrage mit dem Referendum zu verbinden. Denn eigentlich musste er nach dem gescheiterten Auftrag durch das griechische Volk jetzt zurücktreten!

Insbesondere im vorauseilendem Gehorsam von der deutschen sozialdemokratischen Führung wurde ein Austritt aus der EU und die Abschaffung des Euros von den europäischen Partnern  im Zusammenhang mit dem Referendum ins Spiel gebracht. Dafür konnte der griechisch Premier nichts, auch wenn er mit dem Referendum dies provoziert hatte!

Schleimen statt Meckern

So ist der Witz, den ich jetzt zum Besten gebe, bittere Wahrheit für die Griechen geworden:
Eine griechische Ziege und ein griechisches Schaf bitten abwechselnd um Aufbauhilfe für ihr Land bei der Europäischen Union. Sie werden ständig nach stundenlangen Gesprächen mit leeren Versprechen abgewiesen. Während eine ukrainische Schnecke dazwischen kommt und auch um Hilfe für ihr Land bittet. Nach 5 Minuten kommt sie wieder Freude strahlend zurück und sagt den verdatterten beiden anderen:“Wer meckert und blökt statt schleimt, der erreicht eben nichts!“

Kreta Clash 3

Präambel der Europäischen Union

Zudem sei in diesem Zusammenhang an die maßgebliche Präambel der Europäischen Union erinnert, die heute unter den nationalen Interessenskonflikten in Vergessenheit geraten sind:

„… SCHÖPFEND aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas, aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt haben.
EINGEDENK der historischen Bedeutung der Überwindung der Teilung des europäischen Kontinents und der Notwendigkeit, feste Grundlagen für die Gestalt des zukünftigen Europas zu schaffen.
BESTÄTIGEND ihres Bekenntnisses zu den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit.
WÜNSCHEND, die Solidarität zwischen ihren Völkern unter Achtung ihrer Geschichte, ihrer Kultur und ihrer Traditionen zu stärken.
BEABSICHTIGEND, Demokratie und Effizienz in der Arbeit der Organe weiter zu stärken, damit diese in die Lage versetzt werden, die ihnen übertragenen Aufgaben in einem einheitlichen institutionellen Rahmen besser wahrzunehmen.
ENTSCHLOSSEN, die Stärkung und die Konvergenz (Harmonisierung) ihrer Volkswirtschaften herbeizuführen und eine Wirtschafts- und Währungsunion zu errichten, die im Einklang mit diesem Vertrag und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union eine einheitliche, stabile Währung einschließt.
IN BESTÄTIGUNG der Bedeutung, die sie den sozialen Grundrechten beimessen, wie sie in der am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichneten europäischen Sozialcharta und in der Unionscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer von 1989 festgelegt sind, … .“

Europäischen Sozial- und Unionscharta

Artikel 34
Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung
(1) Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten, die in Fällen wie Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall, Pflegebedürftigkeit oder im Alter sowie bei Verlust des Arbeitsplatzes Schutz gewährleisten, nach Maßgabe des Unionsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.
(2) Jeder Mensch, der in der Union seinen rechtmäßigen Wohnsitz hat und seinen Aufenthalt rechtmäßig wechselt, hat Anspruch auf die Leistungen der sozialen Sicherheit und die sozialen Vergünstigungen nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.
(3) Um die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, anerkennt und achtet die Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die Wohnung, die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen, nach Maßgabe des Unionsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.
Artikel 35
Gesundheitsschutz
Jeder Mensch hat das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten. Bei der Festlegung und
Durchführung der Politik und Maßnahmen der Union in allen Bereichen wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt.
Artikel 36
Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
Die Union anerkennt und achtet den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, wie er durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten im Einklang mit den Verträgen geregelt ist, um den sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern.

Resümee

Die EZB ist verpflichtet den freien Kapitalverkehr in der EU aufrecht zu erhalten und darf nicht in einzelstaatliche Entscheidungen wie einem rechtmäßige Referendum eingreifen, indem sie die Versorgung mit frischen Geld den nationalen Banken verweigert.
Wenn ein EU – Mitglied nicht mehr in der Lage ist ein funktionierendes Sozialsystem nach den Richtlinien der EU – Charta aufrecht zu halten, weil die Sparauflagen der Gläubiger einseitig und zu streng sind oder die Situation noch verschärfen, dann muss sie Hilfe, wenn sie angefordert wird, leisten und nicht noch mit härteren Sparauflagen reagieren. Der Hinweis, dass es in anderen EU – Ländern noch schlimmer sei, ist keine Rechtfertigung.

Der Konflikt zwischen Griechenland und den anderen EU – Mitgliedern war nicht im Sinne der EU – Charta, sondern eine Wirtschaftskrieg zwischen unterschiedlichen nationalen Interessen.

Anders ausgedrückt, die vorherrschenden Kräfte in Europa sind auf egoistische, selbstsüchtige Ziele ausgerichtet, die einen Zerfall nicht nur der EU beschleunigen, sondern auch den sozialen Zusammenhalt gefährden könnten.

Email an Klaus- H. Schader